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Globale Verantwortung und lokales Handeln sind gefordert!

Öffentliche Beschaffung als zentraler Bestandteil einer ökologischen und sozial verantwortlichen Transformation. Ein Gastbeitrag zu ökosozialer Beschaffung.


Von Achim Trautmann


Hintergrund

Der stark voranschreitende Klimawandel, eine Globalisierung, die die Schere zwischen Arm und Reich weiterhin größer werden lässt, die Corona-Pandemie sowie das aktuelle Kriegsgeschehen zeigen uns immer wieder auf, dass ungebremstes Wirtschaften und Konsumieren die Weltbevölkerung vor zahlreiche Herausforderungen stellt, die nicht nur die Länder des globalen Südens betreffen.

Die Produktion von Waren und Dienstleistungen für unsere Konsumwelt gehen oftmals einher mit menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen, extremer Armut, geringen Chancen auf eine Schulbildung, hoher Müttersterblichkeit, Flucht, Vertreibung und Umwelt- und Klimaschäden.


Was strebt die Weltgemeinschaft an?

Mit der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen und durch das Pariser Klimaabkommen drückt die Weltgemeinschaft ihre Überzeugung aus, dass sich die globalen Herausforderungen nur gemeinsam lösen lassen. Zwei Nachhaltigkeitsziele erscheinen für einen Wandel hin zu einer ressourcenschonenden, nachhaltigen und emissionsarmen Lebens- und Wirtschaftsweise, die auch die Wahrung der Menschenrechte berücksichtigt, besonders wichtig: Laut SDG (Sustainable Development Goal) 12 soll “für nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster” gesorgt werden und SDG 13 fordert “[umgehende] Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen”. Zur Erreichung der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung der Agenda 2030 und der Ziele des Pariser Klimaabkommens muss auch die öffentliche Hand einen Beitrag leisten, denn sie spielt in Fragen der Entwicklungs- und Klimapolitik eine wichtige Rolle.


Die öffentliche Beschaffung

Bei der öffentlichen Beschaffung können Bund, Länder und Kommunen eine Vorbildfunktion einnehmen, indem sie soziale und ökologische Kriterien bei der Vergabe berücksichtigen, also nachhaltig einkaufen. Dies schließt auch die Beachtung der ILO-Kernarbeitsnormen entlang der Produktions- und Lieferketten ein. Jährlich werden für knapp 500 Milliarden Euro Waren und Dienstleistungen in Deutschland von Bund, Ländern und Kommunen eingekauft. Werden hier Produkte bezogen, die unter ökologischen und sozial verantwortlichen Aspekten hergestellt wurden, leistet die öffentliche Hand nicht nur einen Beitrag zum Klima- und Umweltschutz, sondern auch zur Wahrung der Menschen- und Arbeitsrechte weltweit. Somit können auch Kommunen einen wichtigen Beitrag zur Veränderung des Marktes und damit der globalen Lebens- und Wirtschaftsweise beitragen. Auch die Europäische Union, die Bundesregierung und die rheinland-pfälzische Landesregierung sehen die Notwendigkeit ein und haben bereits entsprechende Gesetze und Verordnungen erlassen, damit Beschaffungen nicht nur unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten getätigt werden können. Ökologische und sozial verantwortliche Aspekte der Beschaffung gelten inzwischen auch als Vergabegrundsätze. So werden Sozial- und Umweltstandards im Welthandel betont und einer nachhaltigeren Lebensweise eine Stimme gegeben.


Beispiel Natursteine

Der Verbrauch an Natursteinen ist in Deutschland größer als das Angebot von Natursteinen aus Deutschland. Aus diesem Grund sind z.B. China und Indien wichtige Exporteure von Natursteinen, weil es bei ihnen große Vorkommen von ähnlichen oder gleichartigen Steinsorten gibt, die eine Garantie für jahrelange Lieferungen ermöglichen.

Studien, NGOs und der Kinderarbeitsexperte Benjamin Pütter können aber nicht ausschließen, dass es in Steinbrüchen in einigen Ländern auch immer wieder zu gravierenden Menschenrechtsverstößen und Verletzungen von Arbeitsrechten kommt. Besonders hervorzuheben ist hier sicherlich die ausbeuterische Kinderarbeit, vorhandene Schuldknechtschaft sowie mangelnder Arbeitsschutz beim Abbau der Gesteine. Dazu können z.B. fehlender Gehörschutz, fehlende Schutzbrillen, fehlende Arbeitsschuhe oder der nicht vorhandene Einsatz von Wasser (zum Binden des Gesteinsstaubs) sein. Entsprechende Verletzungen der Arbeiter*innen bleiben nicht aus. Die hohe Staubbelastung kann zur Erkrankung an einer Quarzstaublunge führen. Die Lebenserwartung von Menschen in diesen Ländern, die in einem Steinbruch arbeiten und am Rande des Steinbruchs leben, wird daher auf nur ca. 40 Jahren geschätzt.


In Rheinland-Pfalz regelt das Landesgesetz zur Gewährleistung von Tariftreue und Mindestentgelt bei öffentlichen Auftragsvergaben einen Teil der öffentlichen Vergabe. Im Gesetz heißt es in §2a: „Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge ist darauf hinzuwirken, dass keine Waren Gegenstand der Leistung sind, die unter Missachtung der in den Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) festgelegten Mindestanforderungen gewonnen oder hergestellt worden sind.“ Das Land Rheinland-Pfalz ermöglicht somit, dass darauf hingewirkt werden kann, dass z.B. Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit bei der Vergabe ausgeschlossen werden können. In der Verwaltungsvorschrift Öffentliches Auftragswesen in Rheinland-Pfalz (7.9.2021), welches die vergaberechtlichen Vorschriften unterhalb der Schwellenwerte betrachtet, wird in 8.1 weiterhin ausgeführt: “In allen Phasen einer Beschaffung, von der Definition der Leistung über die Festlegung von Eignungs- und Zuschlagskriterien bis hin zur Vorgabe von Ausführungsbedingungen können qualitative, soziale und umweltbezogene oder innovative Aspekte einbezogen werden." Damit ist klar: Es gibt die Möglichkeit, bei der Beschaffung von Natursteinen darauf hinzuwirken, dass keine Steine aus ausbeuterischer Kinderarbeit eingekauft werden.


Die gesetzlichen Regelungen können hier nur verkürzt und unvollständig dargestellt werden. Es gibt auch weitere Regelungen bezüglich der Wirtschaftlichkeit und je nach Höhe des Auftragswertes auch andere gesetzliche Regelungen, die greifen. Dennoch ist festzuhalten: Es besteht grundsätzlich die Möglichkeit, unter ökologischen und sozial verantwortlichen Aspekten Natursteine einzukaufen.


Woran scheitert oftmals die Umsetzung?

Eine rechtssichere Anwendung von Bundesgesetzen und Landesgesetzen sowie entsprechenden Verordnungen zur Vergabe und Beschaffung ist gerade bei Kommunen immer wieder ein Hinderungsgrund für einen nachhaltigen Einkauf. Das liegt zum einen darin begründet, dass viele Vorschriften als “Kann” oder “Soll” – Vorschriften formuliert sind und keine verbindliche öko-soziale Beschaffung vorschreiben. Aber auch rechtliche Unsicherheit bei Ausschreibungen, mangelnder Mut und ein zunächst erhöhter Arbeitsaufwand sind dann für Verwaltungen oftmals die größten Hinderungsgründe.

Als regionaler Fachpromotor für öko-soziale Beschaffung unterstütze, berate und schule ich Kommunen, die ihren Einkauf ökologischer und sozial verantwortlicher gestalten möchten. In der Praxis stelle ich immer wieder fest, dass es in den Kommunen sehr viele Einkäufer*innen gibt, die auf unterschiedlichen Wege Waren und Dienstleistungen beziehen. Zentrale Einkaufsstellen bei denen alle Vergaben, Beschaffungen und Direkteinkäufe erfolgen, sind eher die Ausnahme.


Wie geht es besser?

Viele Kommunen in Rheinland-Pfalz sind bereits Fair Trade Kommunen, haben Klimaschutzkonzepte erarbeitet und sich auf den Weg gemacht, auch beim Einkauf und der Beschaffung erste Schritte zu mehr gesellschaftlicher Verantwortung zu gehen. Außerdem gibt es zahlreiche Beratungsangebote und –stellen, die Kommunen bei der öko-sozialen Beschaffung unterstützen. Der Kompass Nachhaltigkeit etwa ist ein Angebot von Engagement Global und der Servicestelle der Kommunen in der Einen Welt und wurde in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit GmbH im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung entwickelt. Er bietet bereits viele nützliche Tipps! Der Kompass ist ein ausführliches Tool, welches die rechtlichen Grundlagen berücksichtigt, eine umfassende Produktübersicht bietet, mögliche Gütezeichen benennt, aber auch Praxisbeispiele darstellt, wie Kommunen die öko-soziale Beschaffung umgesetzt haben.


So hat beispielhaft die Stadt Bitburg 2016 Sozialstandards in die Ausschreibung von Pflastersteinen aufgenommen und einen Nachweis für die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen verlangt. Es wurde ein Anbieter gefunden, der neben den Sozialstandards auch die weiteren Kriterien erfüllen konnte. Ausbeuterische Kinderarbeit bei Abbau und der Bearbeitung der Steine konnte mit der Forderung nach einem Gütezeichen in der Ausschreibung somit verhindert werden. Ein tolles Beispiel für den Mut, das Engagement und die Bereitschaft Beschaffung neu zu gestalten.


Eine nachhaltige Beschaffung von Kommunen gelingt häufig dort, wo Kommunalverwaltung, Kommunalpolitik, Fair Trade Steuerungsgruppen, NGOs, Kirchen und andere Vereine und Organisationen gemeinsam an der Idee eines nachhaltigen Einkaufs arbeiten. Das Zusammenwirken dieser verschiedenen Akteur*innen ist dabei entscheidend. Ein politischer Beschluss muss erst einmal umgesetzt werden. Dafür ist die Verwaltung von großer Bedeutung. Fair Trade Steuerungsgruppen, NGOs und Kirchen können nicht nur politischen Druck aufbauen, sondern stellen oftmals ihr Wissen und ihre Kenntnisse zur Verfügung, wie eine praktische Umsetzung aussehen kann.


Das Land Rheinland-Pfalz unterstützt zivilgesellschaftliche Projekte wie u.a. das Projekt „Rheinland-Pfalz kauft nachhaltig ein!“ oder über das Eine Welt-Promotor*innen-Programm meine Stelle als regionaler Fachpromotor für öko-soziale Beschaffung. Diese Projekte beraten, unterstützen und schulen Kommunen zu den umfangreichen Themen der öko-sozialen Beschaffung. Sie leisten wichtige Bildungsarbeit für Kommunen, zivilgesellschaftliche Organisationen und andere Zielgruppen, damit die Kenntnisse zur öko-sozialen Beschaffung vertieft und praxisnah angewandt werden können. Hilfreich für einen nachhaltigen Einkauf von Kommunen sind außerdem entsprechende kommunale Ratsbeschlüsse, die ein entsprechendes Verwaltungshandeln unterstützen oder die Erstellung von Leitlinien für eine nachhaltige Beschaffung und Vergabe, wie es die Stadt Neuwied umgesetzt hat.


Das Bündnis Faire Vergabe Rheinland-Pfalz hat weitere Schritte formuliert, welche Notwendigkeiten bestehen, um die nachhaltige Beschaffung in Rheinland-Pfalz noch stärker zu etablieren. Dazu gehört u.a. die Einrichtung einer Service- und Kompetenzstelle des Landes für nachhaltige Beschaffung, die Einrichtungen der öffentlichen Hand in allen relevanten Fragen berät und positive Beispiele verbreitet.


Langfristig muss über eine nachhaltige Beschaffung hinaus der Blick auf eine nachhaltige Wirtschaftsförderung gerichtet werden, die die Endlichkeit der Ressourcen, das Voranschreiten des Klimawandels und der Menschenrechtsverletzungen weltweit anerkennt. Es bedarf struktureller Änderungen einer Wirtschaftsförderung, die nicht nur die Wirtschaftlichkeit einer Region betrachtet, sondern globale Zusammenhänge berücksichtigt und mit Anliegergemeinden, den Ländern und dem Bund gemeinsam Ziele einer zukunftsfähigen Gesellschaft bestimmt.


 

Literatur
Achim Trautmann



2 Comments


Guest
Sep 01, 2022

Danke! Es gibt sehr unterschiedliche Erfahrungen in Beratung und Zusammenarbeit mit Kommunen. In Kommunen gibt es sehr viele Beschaffer:innen in allen Abteilungen einer Kommune tätig sind. Wenn in Gesprächen zwischen Verwaltung, Zivilgesellschaft und NRO´s einzelne Themen als relevant und umsetzbar angesehen werden, gilt es dort mit Beratung und Schulung einzusteigen. Anfang des Sommers habe ich das Thema „Faire Bälle“ bei der Fairtrade Steuerungsgruppe des Landkreises Mayen-Koblenz vorgestellt. Das Thema fand Anklang und wurde in der Kreisverwaltung kommuniziert. Vor wenigen Wochen wurden 50 Faire Bälle für die Initiative „Bewegung in die Dörfer“ im Landkreis eingekauft und jetzt an die Bewegungsbetreuer:innen weitergegeben. Ein kleines Zeichen, welches aber eine große Wirkung haben kann. Das ist ein Beispiel für eine schnelle Umsetzung.

Fazit:

Die…

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sebastian.moeller
Aug 25, 2022

Vielen Dank für dieses starke Plädoyer für konkrete Veränderungen vor Ort! Kannst du noch ein bisschen über deine konkreten Erfahrungen bei der Beratung kommunaler Akteur:innen berichten (gerne auch am Beispiel Koblenz)? Wie aufgeschlossen sind Entscheidungsträger:innen und Verwaltungen in Bezug auf die öko-soziale Beschaffung? Was sind typische Bedenken oder Widerstände (falls es sie gibt)? Wo haben zivilgesellschaftliche Gruppen hier einen konkreten Unterscheid erreicht und wie war dieser Erfolg möglich? Was können wir ganz konkret in unserer Stadt tun?

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