Wie Kommunen transformative Unternehmen stärken können
Von Lukas Warning
Statt Lösungsansätze der im Kapitalismus begründeten sozial-ökologischen Vielfachkrise zu bieten, verschärft die konventionelle kommunale Wirtschaftsförderung eher die bestehenden Probleme. Ihrem Verständnis nach befinden sich Kommunen in einem globalen Wettbewerb um die Ansiedlung profitorientierter Privatunternehmen, dem sie erbarmungslos ausgeliefert sind. Gestaltungsansprüche und demokratisch zu verhandelnde normative Ziele wie etwa Gute Arbeit, Halten von Wohlstand vor Ort, gerechte Verteilung oder Klimaschutz; kurz die Idee eines Gemeinwohls werden durch eine zielblinde Unternehmensförderung ersetzt.
Da Kommunen neben anderen Akteuren eine entscheidende Rolle in einer radikalen sozial-ökologischen Transformation spielen können und müssen, schlage ich, unter anderem inspiriert von der Bewegung des Neuen Munizipalismus, der Wirtschaftsförderung 4.0 (Osnabrück) und dem Community Wealth Building (Preston, UK), den Entwurf einer transformativen kommunalen Wirtschaftspolitik vor. Ihre Grundlage bildet eine transformative Perspektive, die mit Maßnahmen „revolutionärer Realpolitik“ (nach Rosa Luxemburg) konkrete Probleme löst. Dabei werden Räume geöffnet und über das Bestehende hinausgewiesen: Ein ganzheitliches Wirtschaftsverständnis, die Stärkung der lokalen Fundamentalökonomie und regionaler Resilienz sowie die Demokratisierung von Eigentum und Wirtschaft stehen im Zentrum der Perspektive.
Als Beispiel einer solchen gestaltenden Wirtschaftspolitik entwickle ich ein dreiteiliges Förderprogramm für die Stärkung transformativer demokratischer Unternehmen (TDU). Dazu zählen die Einrichtung einer Kompetenz- und Beratungsstelle, eines Fonds für die Förderung von Gründungen demokratischer Unternehmen und Betriebsübergaben an die Mitarbeitenden sowie strategische öffentliche Beschaffung.
Das Herzstück dieser gemeinwohlorientierten Wirtschaftspolitik bildet eine Kompetenz- und Beratungsstelle.
Das Herzstück dieser gemeinwohlorientierten Wirtschaftspolitik bildet eine Kompetenz- und Beratungsstelle. Sie kann eigenständig, innerhalb der Wirtschaftsförderung oder als Stabsstelle direkt bei der Bürgermeisterin angesiedelt sein. Die erste Aufgabe der Kompetenzstelle ist die einer zentralen Anlaufstelle für bestehende TDU und Interessent*innen an Neugründungen bzw. Betriebsübergaben. Dafür versammelt sie Wissen rund um die Besonderheiten und Bedürfnisse von demokratischen, nicht profitorientierten und sozial-ökologisch ausgerichteten Unternehmen, sowie Best-Practice-Ansätze und bestehende Förderprogramme. Zudem baut sie ein Netz aus externen Expert*innen, etwa im Bereich Europa-, Wettbewerbs-, Vergabe- und Genossenschaftsrecht, auf. Die Kompetenzstelle vermittelt neben Workshops und Einzelberatungen auch Zwischennutzungen, informiert über relevante Förderprogramme und über offene Ausschreibungen und Vergabeverfahren. Während und nach der Gründung bzw. Übernahme von Unternehmen bietet die Kompetenzstelle ein Mentor*innenprogramm und betriebswirtschaftliche sowie rechtliche Begleitung an oder vermittelt diese.
Ankerinstitutionen könne Aufträge vergeben, die gute Arbeit schaffen, die demokratische Teilhabe an Wirtschaft und Eigentum ausweiten, ökologische Standards setzen und Wohlstand vor Ort halten.
Eine weitere wichtige Funktion der Kompetenzstelle ist der Aufbau und die Pflege von Netzwerken unter TDU sowie mit weiteren Akteur*innen wie Ankerinstitutionen oder zivilgesellschaftlichen Gruppen. Ankerinstitutionen sind lokal verankerte und häufig öffentliche Unternehmen oder Institutionen wie etwa Krankenhäuser, Schulen oder ortsansässige Stiftungen. Die Beschaffungsbedarfe von Ankerinstitutionen und der Stadtverwaltung werden gebündelt zur gezielten Förderung von demokratischen und sozial-ökologisch orientierten lokalen Firmen eingesetzt. Diese Akteure formulieren Ausschreibungen und Vergabeverfahren, soweit es im Rahmen europäischen Rechts möglich ist, so dass Nachhaltigkeitskriterien im Zentrum stehen und kleinere, lokale Unternehmen eine Chance haben (etwa durch die Aufteilung von Ausschreibungen in mehrere, kleinere „lots“). Die Kompetenzstelle bietet – unabhängig von konkreten Vergabeverfahren – Workshops an, um TDU fit für öffentliche Vergabeverfahren zu machen und sie zum Mitbieten zu ermutigen. Idealerweise initiiert sie außerdem die Neugründung transformativer demokratischer Unternehmungen, die einen lokalen Bedarf decken können und unterstützt, etwa im Falle des Ruhestands von Firmeneigner*innen, die Übergabe von Unternehmen an ihre Mitarbeiter*innen. Ein Beispiel einer Neugründung könnte eine Wäschereigenossenschaft sein, die durch zuverlässige Aufträge von Ankerinstitutionen, etwa eines lokalen Krankenhauses, gute Arbeit schafft, die demokratische Teilhabe an Wirtschaft und Eigentum ausweitet, ökologische Standards setzt und Wohlstand vor Ort hält. Um solche Projekte finanzieren zu können und den schwierigen Zugang zu Krediten, mit denen nicht-profitorientierte Unternehmen konfrontiert sind, abzumildern, wird ein Förderfonds für demokratisches, soziales und ökologisches Wirtschaften eingerichtet. Daran könnten neben der Kommune, Ankerinstitutionen und örtlichen Sparkassen auch Bürger*innen direkt beteiligt sein.
Mit meiner Arbeit möchte ich einen wissenschaftlich fundierten und zugleich praxisorientierten Beitrag zur Stärkung kommunaler Bemühungen für eine tiefgreifende sozial-ökologische Transformation leisten. Ein zentrales Anliegen ist mir das Ausloten und Aufzeigen von Handlungsspielräumen, die in all ihrer Begrenztheit und Prekarität durch (neoliberale) Unmöglichkeits- und Alternativlosigkeitsnarrative, sowie durch ein problematisches Wirtschaftsverständnis, häufig weiter verengt werden. Akteur*innen in der Kommunalpolitik möchte ich gerade angesichts realer Herausforderungen – etwa dem demografischen Wandel, struktureller Unterfinanzierung oder der Abhängigkeit von ungebundenen privaten Unternehmen – ermutigen, kommunale Wirtschaftspolitik neu zu denken.
Zur Reihe "Abschlussarbeiten"
In dieser Reihe veröffentlichen wir in unregelmäßigen Abständen Beiträge der Absolvent:innen der Cusanus Hochschule für Gesellschaftsgestaltung. Sie berichten an dieser Stelle über die Erkenntnisse und Erfahrungen beim Forschen für ihre Abschlussarbeiten. Lukas hat seine Masterarbeit im Juli 2020 eingereicht. Sie wurde von Reinhard Loske und Stephan Panther betreut.
Kommentare